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Informationsbrief Juli 2023

1 Berücksichtigung  von  Verlusten  aus  ausländischen  Betriebsstätten

Ausländische Einkünfte, die in einem Land erzielt werden, mit dem ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht, werden im Inland grundsätzlich nach zwei unterschiedlichen Regelungen behandelt:

  • Anrechnungsmethode: Die Einkünfte werden im Inland erfasst; die im Ausland gezahlte Steuer wird regelmäßig auf die inländische Steuer angerechnet.
  • Freistellungsmethode: Die Besteuerung erfolgt ausschließlich im Ausland; ggf. wirken sich die Einkünfte auf die Höhe des Steuersatzes für im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus (sog. Progressionsvorbehalt; § 32b EStG).

Für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten sehen die in den DBAs vereinbarten Regelungen mit den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten regelmäßig die Freistellungsmethode vor.

Der Bundesfinanzhof hat bestätigt, dass Verluste aus einer im EU-Ausland belegenen Niederlassung einer Kapitalgesellschaft nicht steuermindernd mit im Inland erzielten Gewinnen verrechnet werden können, wenn dem deutschen Staat kein Besteuerungsrecht zusteht. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang nunmehr klargestellt, dass dies selbst dann gilt, wenn die Verluste im Ausland steuerrechtlich „unter keinen Umständen“ verwertbar und damit final sind. Dies kann z. B. bei Aufgabe der wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Betriebsstätte aufgrund anhaltender Verluste, bei Übertragung oder Umwandlung der Be­triebsstätte der Fall sein.

Der Bundesfinanzhof begründet die Nichtanerkennung von ausländischen Betriebsstättenverlusten damit, dass die in den DBAs vereinbarte abkommensrechtliche Steuerfreistellung ausländischer Einkünfte sowohl positive als auch negative Einkünfte, also Verluste, umfasst.

Der Ausschluss des Verlustabzugs verstößt auch im Hinblick auf sog. finale Verluste nicht gegen das Unions­recht, wie eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs ergab.

2  Vermietung  von  Ferienwohnungen  über  Vermittler  mit  Zusatzleistungen

Die Wohnungsvermietung gehört einkommensteuerrechtlich zu den Einkünften aus Vermietung und Ver­pachtung; das gilt grundsätzlich auch für die Vermietung von Ferienwohnungen, die möbliert und mit Geschirr, Bettzeug usw. ausgestattet sind. Die Vermietung von Ferienwohnungen kann aber auch zu Ein­künften aus Gewerbebetrieb führen, wenn sie „hotelmäßig“ erfolgt, d. h., wenn die Vermietung durch zusätzliche Nebenleistungen – wie z. B. (tägliche) Reinigung, Wäschewechsel, persönliche Betreuung oder auch dem Angebot von Mahlzeiten – einem Beherbergungsbetrieb ähnelt.

Der Bundesfinanzhof hat in einer Entscheidung klargestellt, dass eine Ferienwohnungsvermietung nicht gewerblich ist, wenn sie über einen Vermittler durchgeführt wird, der seinerseits „hoteltypische“ Zusatz­leistungen an die Mieter im eigenen Interesse und auf eigene Rechnung erbringt.

Im Streitfall hatte der Wohnungseigentümer eine Vermietungsgesellschaft mit der Vermietung seiner Ferien­wohnung beauftragt, die für den Vermietungsservice einen bestimmten Anteil vom Vermietungserlös erhielt. Alle Zusatzleistungen wurden von der Vermietungsgesellschaft oder von von ihr beauftragten Dritten er­bracht und abgerechnet. Diese hotelmäßigen Dienstleistungen hatte das Gericht nicht dem Wohnungs­eigentümer zugerechnet, sodass dieser Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte.

3  Keine  Steuerermäßigung  für  Hausnotrufsystem

Bei Aufwendungen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerermäßigung in Anspruch genommen werden. Unter haushaltsnahen Dienst­leistungen werden dabei Leistungen verstanden, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung auf­weisen oder damit im Zusammenhang stehen (vgl. § 35a EStG).

Auch die Aufwendungen für ein Hausnotrufsystem können als haushaltsnahe Dienstleistungen zu qualifizieren sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist insoweit zu unterscheiden:

Für ein von einer Pflegeeinrichtung bereitgestelltes und mit einer Betreuungspauschale abgegoltenes Notruf­system, das innerhalb einer Wohnung im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ Notfallhilfe durch das über einen Notruf verständigte Pflegepersonal der Einrichtung rund um die Uhr sicherstellt, kann die Steuer­ermäßigung in Anspruch genommen werden; hier wird regelmäßig die Notfall-Soforthilfe im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht.

Im Gegensatz dazu kommt bei einem Hausnotrufsystem, mit dem im Notfall lediglich ein Kontakt zu einer 24-Stunden-Servicezentrale (Rufbereitschaft) hergestellt wird und von dort die Kontaktierung z. B. eines Angehörigen oder des Rettungsdienstes erfolgt, die Steuerermäßigung nicht in Betracht. In diesen Fällen entstehen die Aufwendungen neben der Bereitstellung der erforderlichen Technik vor allem für das Bereit­halten des Personals zur Entgegennahme eines eventuellen Notrufs (Rufbereitschaft) und ggf. die Verstän­digung Dritter für eine Hilfeleistung vor Ort; diese Tätigkeiten werden aber außerhalb der Wohnung des Steuerpflichtigen und damit nicht in dessen Haushalt erbracht.

4  Erbfallkostenpauschale  für  Nacherben

Hat ein Erblasser testamentarisch eine Vor- und Nacherbschaft verfügt, erben zivilrechtlich der Vorerbe und der Nacherbe nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser. Erbschaftsteuerlich gilt dagegen nur der Vorerbe als Erbe des Erblassers (§ 6 Abs. 1 ErbStG), sodass sein (Vor-)Erwerb in vollem Umfang der Erb­schaftsteuer unterliegt. Bei Eintritt des Nacherbfalls fällt ggf. erneut Erbschaftsteuer an, wobei das Verwandt­schaftsverhältnis zum Vorerben maßgebend ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG).

Im Rahmen der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs kann der Nacherbe zur Berücksichtigung von Erbfallkosten auch den Pauschbetrag in Höhe von 10.300 Euro nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Anspruch nehmen. Hierunter fallen z. B. Beerdigungskosten und Kosten im Zusammenhang mit der Ab­wicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses. Zwar ist der Pauschbetrag für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren; da Vor- und Nacherbfall jedoch erbschaftsteuerlich als zwei getrennte Erbfälle zu behandeln sind, kann nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Pauschbetrag auch für jeden Erbfall angesetzt werden.

Ein Nachweis, dass tatsächlich überhaupt Kosten angefallen sind, ist für den Abzug des Pauschbetrags nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs nicht (mehr) erforderlich; insoweit hat der Bundesfinanzhof seine bis­herige Rechtsprechung geändert.

5  Finanzielle  Beteiligung  am  Haupthausstand  bei  doppelter  Haushaltsführung

Ist aus beruflichen Gründen die Führung eines zweiten Hausstands am (auswärtigen) Beschäftigungsort neben dem Haupthausstand erforderlich, sind die Aufwendungen für den Hausstand am Beschäftigungsort im Rahmen der doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG) als Werbungskosten oder Betriebsaus­gaben abzugsfähig. Voraussetzung dafür ist u. a. eine ausreichende finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung am Mittelpunkt der Lebensinteressen, dem Haupthausstand.

Diese Frage kann sich insbesondere dann stellen, wenn eine ledige Person weiter im Haushalt der Eltern lebt und dort den Haupthausstand unterhält. Die Finanzverwaltung sieht dafür eine Beteiligung in Höhe von mehr als 10 % der Haushaltskosten als ausreichend an.

Diese Grenze wurde vom Bundesfinanzhof nicht beanstandet. Für den Fall, dass im Haus der Eltern ein hinreichend abgrenzbarer eigener Haushalt geführt wird, bezieht das Gericht die Kostenbeteiligung ausschließlich auf den eigenen Haushalt. Es hält es auch nicht für schädlich, wenn ein entscheidender Haus­haltsbeitrag z. B. einmalig am Jahresende gezahlt wird.

6  Veräußerung  eines  Einfamilienhauses  nach  Ehescheidung

Die Veräußerung einer Immobilie stellt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft dar, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Wird das Objekt dagegen zwischen Anschaffung und Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden voran­gegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt, ist die Veräußerung nicht steuerbar.

In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinandergesetzt, ob nach dem Auszug eines getrennt lebenden Ehepartners aus der vormaligen Ehewohnung die Nutzung durch das gemeinsame Kind dem ausgezogenen Miteigentümer als „eigene“ Wohnzwecke zugerechnet werden kann. Dies hat das Gericht verneint. Zwar umfasst der Begriff der „eigenen“ Wohnzwecke auch die Wohnzwecke von einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern, sodass hierin eine „mittelbare“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gesehen werden könnte; allerdings stellt die Mitnutzung durch den geschiedenen Ehepartner eine schädliche Nutzung dar.

Im Ergebnis kann somit in diesen Fällen ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorliegen, wenn die Grundstückshälfte an den dort weiter wohnenden (ehemaligen) Ehepartner veräußert wird.

7  Berufsausbildungskosten  nach  vorheriger  langjähriger  Berufstätigkeit

Insbesondere für Ausbildungen, die privat zu finanzieren sind, entstehen u. a. Kosten durch Kurs-, Schul-, Studien- bzw. Prüfungsgebühren oder auswärtige Unterbringung. Dies betrifft z. B. die Ausbildung zum Piloten, zum Heilpraktiker oder das Studium an einer privaten Hochschule oder Universität. Der Wer­bungskostenabzug für Berufsausbildungskosten kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn bereits vorher eine Erstausbildung abgeschlossen wurde. Dies setzt eine geordnete Ausbildung voraus, die auf der Grund­lage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder Vorschriften eines Bildungsträgers mit einer Mindest­dauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung durchgeführt wird.

Wurde noch keine Erstausbildung abgeschlossen, können Berufsausbildungskosten nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden. Dieser ist jedoch auf 6.000 Euro jährlich begrenzt und wirkt sich nur aus, wenn im gleichen Jahr Einkommensteuer zu entrichten wäre. Im Fall des Werbungs­kostenabzugs besteht dagegen die Möglichkeit des Verlustvor- bzw. -rücktrags.

Für die Abzugsmöglichkeit ist daher entscheidend, ob bereits eine Erstausbildung abgeschlossen wurde. Der Bundesfinanzhof hatte in einem aktuellen Urteil über den Abzug von Berufsausbildungskosten – hier: der Ausbildung zum Berufspiloten – zu entscheiden, wenn davor lediglich eine langjährige Tätigkeit ohne abge­schlossene (Berufs-)Ausbildung ausgeübt wurde. Im konkreten Fall hatte der Kläger vor der Pilotenausbil­dung eine langjährige gewerbliche Tätigkeit im Bereich der Veranstaltungs- und Bühnentechnik ausgeübt, nachdem er zuvor ein 20 Monate dauerndes Praktikum absolviert hatte. Nach Ansicht des Gerichts war der gesetzlich definierte Begriff der Erstausbildung nicht erfüllt, da sowohl ein Praktikum als auch eine langjährige Tätigkeit nicht als geordnete Ausbildung anzusehen waren. Die Kosten für die Ausbildung zum Berufspiloten konnten daher lediglich im Rahmen der Sonderausgaben berücksichtigt werden.

8  Pflegeversicherung:  Höhere  Beiträge  ab  01.07.2023

Im Zusammenhang mit einer Reform der Pflegeversicherung und aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sollen ab 01.07.2023 die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung unter Berück­sichtigung des wirtschaftlichen Erziehungsaufwands von Eltern angepasst werden. Der Grundbeitragssatz steigt dann um 0,35 % auf 3,4 % und der Zuschlag für über 23-jährige Kinderlose um 0,25 % auf 0,6 %.

Neu ist eine Beitragssatzreduzierung für das 2. bis 5. Kind (bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes) um jeweils 0,25 %, die – wie der Kinderlosenzuschlag – nur auf den Arbeitnehmeranteil anzuwenden ist; der Arbeitgeberanteil beträgt unabhängig von der Kinderzahl 1,7 %.

Danach gelten ab 01.07.2023 für Arbeitnehmer folgende Beitragssätze in der sozialen Pflegeversicherung:

Kinder   Beitragsanteil in %
Arbeitnehmer Arbeitgeber
kinderlos Versicherte bis 23 Jahre 1,7 1,7
Versicherte über 23 Jahre 2,3 1,7
(1,7 + 0,6)
1 Grundbeitrag (bleibt bestehen) 1,7 1,7
(beliebiges Alter)
2 neue Reduzierung
Arbeitnehmerbeitrag
1,45 1,7
bis 25 Jahre (1,7 – 0,25)
3 1,2 1,7
bis 25 Jahre (1,7 – 2 × 0,25)
4 0,95 1,7
bis 25 Jahre (1,7 – 3 × 0,25)
5 und mehr 0,7 1,7
bis 25 Jahre (1,7 – 4 × 0,25)

Infolge der Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung werden auch die Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug zum 01.07.2023 angepasst. Falls der Lohnsteuerabzug für Juli und August 2023 noch nicht gemäß der neuen Ablaufpläne möglich ist, soll der Lohnsteuerabzug bis zum 01.09.2023 entsprechend be­richtigt werden, soweit es für den Arbeitgeber wirtschaftlich zumutbar ist.

Quelle: Informationsbrief Juli 2023 Erich Fleischer Verlag