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Informationsbrief Mai 2022

1 Zinssatz  für  Steuernachforderungen  und  Steuererstattungen  wird  auf
0,15 %  pro  Monat  gesenkt

Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungs­zinsen mit 0,5 % monatlich (sog. Vollverzinsung) verfassungswidrig ist.

Die Bundesregierung hat nunmehr ein Änderungsgesetz beschlossen, wonach der Zinssatz bei der Voll­verzinsung nach § 233a AO rückwirkend ab dem 01.01.2019 auf 0,15 % pro Monat (= 1,8 % pro Jahr) gesenkt wird. Dabei soll die Angemessenheit alle 3 Jahre – spätestens erstmals zum 01.01.2026 – überprüft werden.

Die Neuregelung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 gilt für alle Steuern, auf die die Vollverzinsung anzuwenden ist. Der Erlass von Nachzahlungs­zinsen bei vor Fälligkeit freiwillig geleisteten Zahlungen wird im Gesetz verankert und gilt auch für die von Kommunen verwaltete Gewerbesteuer.

2 Steuerentlastungsgesetz  2022

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022 vorgelegt, um die Bevölkerung angesichts der zum Teil erheblichen Preissteigerungen insbesondere im Energiebereich zu entlasten.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

  • Für 2022 soll der Grundfreibetrag um weitere 363 Euro auf 10.347 Euro angehoben werden
    (bei Ehepartnern verdoppeln sich diese Beträge). Dies führt bei Alleinstehenden zu einer Steuerersparnis von bis zu 69 Euro (bei Ehepartnern bis zu 138 Euro) für das Jahr 2022.
  • Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag steigt ab 2022 von 1.000 Euro auf 1.200 Euro.
  • Die ursprünglich ab 2024 vorgesehene Anhebung der Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer
    von 0,35 Euro auf 0,38 Euro soll schon ab 2022 gelten. Dadurch steigt auch die Mobilitätsprämie
    entsprechend ab 2022.

Diese Änderungen sollen rückwirkend ab dem 01.01.2022 anzuwenden sein. Infolge der Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags muss der Lohnsteuerabzug für bereits durchgeführte Gehaltsabrechnungen für Lohnzahlungszeiträume im Jahr 2022 regelmäßig berichtigt werden (vgl. § 41c Abs. 1 Satz 2 EStG).

3  Häusliches  Arbeitszimmer  muss  für  die  Tätigkeit  nicht  erforderlich  sein

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können nur dann als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn

  • kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, bis zur Höhe von 1.250 Euro jährlich,
  • das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet, in unbegrenzter Höhe.

Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass es unerheblich ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit (überhaupt) erforderlich ist.

Im Streitfall erkannte das Gericht die Aufwendungen einer Flugbegleiterin für ein häusliches Arbeitszimmer (bis zur Höhe von 1.250 Euro) steuermindernd an. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Arbeiten im Arbeits­zimmer im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit der Flugbegleiterin derart gering waren, dass die Arbeiten auch leicht an einem anderen Ort – z. B. am Küchentisch, im Esszimmer oder in einem anderen Raum – hätten ausgeführt werden können.

Für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen genüge – so das Gericht – allein die Veranlassung durch die Ein­künfteerzielung.

Dabei ist aber zu beachten, dass der fragliche Raum (nahezu) ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werden muss, um als häusliches Arbeitszimmer berücksichtigt zu werden.

4  Fahrtkostenersatz  als  Kinderbetreuungskosten

Grundsätzlich können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eingeschränkt auf zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens jedoch 4.000 Euro je Kind, als Sonderausgaben steuer­mindernd berücksichtigt werden. Der Abzug von Kinderbetreuungskosten setzt gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG voraus, dass Eltern eine Rechnung über die Betreuungsleistungen erhalten haben und die Zahlung unbar auf das Konto der Betreuungsperson erfolgt.

Berücksichtigungsfähig sind Ausgaben für Dienstleistungen zur Betreuung des Kindes sowie Erstattungen an die Betreuungsperson (z. B. für Fahrtkosten), wenn die Leistungen im Einzelnen in der Rechnung oder im Vertrag aufgeführt werden.

Zu beachten ist, dass eine Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn die Betreuung von Angehörigen (z. B. Großeltern) erbracht wird, da derartige Leistungen üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage unentgeltlich übernommen werden. Wie das Finanzgericht München bestätigt hat, können aber auch in diesen Fällen Fahrtkostenerstattungen (z. B. Pkw mit 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer) im Rahmen der Kinderbetreuungskosten geltend gemacht werden, wenn der Fahrtkostenersatz im Einzelnen in einer Rechnung oder einem Vertrag aufgeführt wird, die Verein­barungen dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen, und die Erstattungen unbar auf das Konto des Angehörigen (Betreuungsperson) geleistet werden.

5  Weitere  Anhebung  des  Mindestlohns  und  Erhöhung  der  Grenze  für  geringfügige Beschäftigung

Für das Jahr 2022 wurden bereits zwei Anhebungen des Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission beschlossen:

Ab          01.01.2022:                    9,82 Euro
              01.07.2022:                   10,45 Euro

jeweils brutto pro Zeitstunde.

Durch eine weitere gesetzliche Regelung ist vorgesehen, den Mindestlohn erneut zu erhöhen:

Ab         01.10.2022:                   12,00 Euro.

Bisher war bei Anhebungen des Mindestlohns immer zu beachten, dass dadurch bei einzelnen Minijobs ggf. die Grenze von 450 Euro als Voraussetzung für eine geringfügige Beschäftigung überschritten werden konnte und die Arbeitszeit entsprechend reduziert werden musste. Das soll ab dem 01.10.2022 dadurch vermieden werden, dass sich die Geringfügigkeitsgrenze nach der Steigerung des Mindestlohns richtet. Sie orientiert sich dann an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen. Ab Oktober 2022 wird die Geringfügigkeitsgrenze damit von 450 Euro auf 520 Euro angehoben.

In diesem Zusammenhang wird ab dem 01.10.2022 auch die Grenze für eine Beschäftigung im Übergangs­bereich (sog. Gleitzone) von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro angehoben. Für sozialversicherungs­pflichtig beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Monatslohn von 450,01 Euro bis 520 Euro soll eine bis zum 31.12.2023 befristete Bestandsschutzregelung gelten, sodass für diese Arbeitnehmer die Sozialversicherungs­pflicht bestehen bleibt.

Darüber hinaus ist nunmehr gesetzlich geregelt, inwieweit ein gelegentliches unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze unschädlich ist (z. B. wegen einer begrenzten Mehrarbeit, etwa wegen einer Krankheitsvertretung). Danach kann es in diesen Fällen bei einer geringfügigen Beschäftigung bleiben, wenn die Grenze innerhalb eines Zeitjahres in nicht mehr als zwei Kalendermonaten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird (das entspricht im Kalenderjahr insgesamt höchstens dem 14-Fachen der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze).

6  Kindergeld:  Krankheitsbedingte  Unterbrechung  bzw.  Abbruch  einer  Ausbildung

Für ein volljähriges Kind unter 25 Jahren wird u. a. Kindergeld gezahlt bzw. ein Kinderfreibetrag gewährt, wenn es sich in einer Berufsausbildung befindet oder eine solche wegen des Fehlens eines Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

In Fällen, in denen das Kind seine Ausbildung aufgrund einer vorübergehenden Erkrankung unterbrechen muss oder eine Ausbildung deshalb nicht beginnen kann, ist eine Berücksichtigung nur unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin möglich. In einem aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof die Grundsätze zur Berücksichtigung bei einer vorübergehenden Erkrankung weiter konkretisiert.

Die Finanzverwaltung sieht für die Darlegung einer vorübergehenden Erkrankung die Vorlage einer ärzt­­lichen Bescheinigung über die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende vor; die Bescheinigung ist ggf. nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs liegt eine vorübergehende Erkrankung lediglich dann vor, wenn diese höchstwahrscheinlich nicht länger als sechs Monate andauern wird.

Zudem muss für die weitere Berücksichtigung ein Ausbildungsverhältnis weiterhin bestehen oder die Ausbil­dungswilligkeit nachgewiesen werden. Für die Berücksichtigung innerhalb einer bestehenden Berufsausbildung ist Voraussetzung, dass das Ausbildungsverhältnis nicht – durch Kündigung oder Abmeldung von der Schule – beendet, sondern lediglich unterbrochen wird.

Für den Nachweis über die weitere Ausbildungswilligkeit sieht die Finanzverwaltung eine schriftliche Dar­legung gegenüber der Familienkasse vor. Für diese Absichtserklärung steht eigens ein Formular19 zur Verfügung. Die Ausbildungswilligkeit sollte frühzeitig gegenüber der Familienkasse dargelegt werden, da die Verwaltung keine Rückwirkung der Absichtserklärung vorsieht.

Wie das Gericht entschieden hat, kann der Nachweis jedoch auch anderweitig erbracht werden, wenn Beweise darüber vorgelegt werden, dass sich das Kind z. B. bei einer Ausbildungseinrichtung oder der Ausbildungs­vermittlung der Agentur für Arbeit zur Aufnahme einer Ausbildung nach Beendigung der Erkrankung infor­miert hat. Eine spätere pauschale Darlegung ist dagegen nicht möglich.

7  Private  Kapitalerträge  in  der  Einkommensteuer-Erklärung

Die Besteuerung von privaten Kapitalerträgen ist grundsätzlich durch einen Kapitalertragsteuerabzug in Höhe von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer abgegolten. Kapitalerträge müssen daher regelmäßig nicht in der Einkommensteuer-Erklärung angegeben werden.

Die Angabe von privaten Kapitalerträgen in der Steuererklärung kann aber zwingend erforderlich oder empfehlenswert sein; siehe dazu folgende Beispiele:

Die Angabe der Kapitalerträge ist  erforderlich,  wenn

  • für Kapitalerträge keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde (z. B. bei Darlehen an Angehörige, Gesellschafter-Darlehen,22 Steuererstattungszinsen nach § 233a AO, Zinsen von ausländischen Banken). Der Steuersatz für diese Erträge im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung entspricht dann regelmäßig dem Abgeltungsteuersatz von 25 % (vgl. § 32d EStG).
  • trotz Kirchensteuerpflicht keine Kirchensteuer von den Kapitalerträgen einbehalten wurde (z. B. wegen Abgabe eines Sperrvermerks). In diesem Fall reicht es aus, nur die darauf entfallende Kapitalertragsteuer anzugeben. Die Kirchensteuer wird dann im Rahmen der Veranlagung festgesetzt.
  • Eine Minderung der Abgeltungsteuer wegen Kirchensteuerpflicht21 kann in diesen Fällen nur erreicht werden, wenn die gesamten Kapitalerträge angegeben werden.

Die Angabe der Kapitalerträge ist  sinnvoll,  wenn

  • die Besteuerung von Gewinnausschüttungen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Höhe von 60 % der Erträge mit dem persönlichen Steuersatz (sog. Teileinkünfteverfahren) günstiger ist als der Kapitalertragsteuerabzug. Das Teileinkünfteverfahren kann auch dann vorteilhaft sein, wenn z. B. Zinsen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kapitalanteils angefallen sind und (teilweise) berücksichtigt werden sollen.
  • Ein entsprechender Antrag ist möglich bei einer Kapitalbeteiligung von mindestens 25 % oder bei mindes­tens 1 % und beruflicher Tätigkeit mit maßgeblichem unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft.
  • die Besteuerung sämtlicher Kapitalerträge mit dem persönlichen Einkommensteuersatz günstiger ist als der 25 %ige Kapitalertragsteuerabzug (sog. Günstigerprüfung). Dies kann z. B. auch durch Berücksich­tigung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten (z. B. aus Vermietung und Verpachtung) eintreten.
  • der Kapitalertragsteuerabzug zu hoch gewesen ist; das ist u. a. möglich, wenn kein Freistellungsauftrag erteilt wurde und deshalb der Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro (Ehepartner: 1.602 Euro) nicht – oder nicht vollständig – berücksichtigt werden konnte.
  • (Veräußerungs-)Verluste aus Kapitalvermögen mit Veräußerungsgewinnen verrechnet werden sollen.

Soweit z. B. Banken, Sparkassen oder Finanzdienstleister bei privaten Kapitalerträgen Steuerbescheinigun­gen teilweise nicht mehr automatisch ausstellen, sind diese ggf. anzufordern, wenn die Einbeziehung von Kapitalerträgen in die Einkommensteuer-Veranlagung beabsichtigt ist.

Für Verluste, die in einem Bankdepot angefallen sind und nicht in diesem Depot zur zukünftigen Verlustverrechnung vorgetragen, sondern im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung mit anderen (Veräußerungs-)Gewinnen verrechnet werden sollen, ist eine entsprechende Bescheinigung der Bank erfor­derlich.

Quelle: Informationsbrief Mai 2022 Erich Fleischer Verlag