Artikel drucken Kontakt

Informationsbrief September 2016

1 Unentgeltliche  Betriebsübertragung  –  zurückbehaltenes  Sonderbetriebsvermögen  nicht  schädlich

Bei unentgeltlicher Übertragung eines Betriebs, eines Teilbetriebs, eines Mitunternehmeranteils, bei Aufnah­me einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen sowie bei Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person ohne Gegenleistung hat der Rechtsnachfolger gemäß § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte fortzuführen, sodass es insoweit nicht zur Aufdeckung stiller Reserven beim bis­herigen Betriebsinhaber (Mitunternehmer) kommt.

Die Regelung findet insbesondere im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge Anwendung.

Die steuerfreie Übertragung eines Anteils an einer Mitunternehmerbeteiligung kommt auch dann in Betracht, wenn der bisherige Inhaber Wirtschaftsgüter, die weiter zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmer­schaft gehören, nicht mitüberträgt (z. B. zurückbehaltenes Sonderbetriebsvermögen wie ein Grundstück). Voraussetzung für die steuerneutrale Behandlung ist jedoch, dass der Rechtsnachfolger seinen Mitunterneh­meranteil fünf Jahre nicht veräußert oder aufgibt.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist es allerdings schädlich, wenn in engem zeitlichem Zusammen­hang mit der Übertragung zurückbehaltenes wesentliches Sonderbetriebsvermögen entnommen oder zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen des Übertragenden überführt wird.

Der Bundesfinanzhof entschied in einem aktuellen Urteil jedoch, dass die steuerneutrale Übertragung nicht rückwirkend entfällt, wenn das zurückbehaltene Wirtschaftsgut zu einem späteren Zeitpunkt in ein anderes Betriebsvermögen des Übertragenden zu Buchwerten übertragen wird.

Im Urteilsfall übertrug der Vater unentgeltlich einen Teil seines Mitunternehmeranteils auf seinen Sohn. Das Grundstück, das er der Gesellschaft vermietete (Sonderbetriebsvermögen), wurde nicht anteilig mitübertra­gen. Zwei Jahre später übertrug der Vater das Grundstück zu Buchwerten auf eine andere KG, an der er be­teiligt war. Entgegen der vom Finanzamt vertretenen Auffassung ist der Buchwertansatz, d. h. die steuerfreie Aufdeckung der stillen Reserven, dadurch nicht rückwirkend entfallen, weil für diesen Fall im Gesetz keine Haltefrist vorgesehen ist.

2  Disagio  als  sofort  abzugsfähige  Werbungskosten?

Insbesondere bei der Finanzierung von Immobilien kann durch die Vereinbarung einer Zinsvorauszahlung (Disagio) ein niedrigerer Nominalzinssatz erreicht werden. Das Disagio wird regelmäßig bei Auszahlung des Kreditbetrags vom Kreditinstitut einbehalten. Wird z. B. ein Mietobjekt hergestellt oder angeschafft, kann das Disagio im Zeitpunkt der Zahlung in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermie­tung und Verpachtung abgezogen werden.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Höhe des Disagios „marktüblich“ ist. Ein Disagio von bis zu höchstens 5 % der Darlehenssumme bei einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens 5 Jahren wird dabei von der Finanzverwaltung regelmäßig als marktüblich angesehen. Wird ein höherer Disagiobetrag gezahlt, ist der übersteigende Teil nicht sofort als Werbungskosten zu berücksichtigen, sondern steuerlich auf den Zins­festschreibungszeitraum bzw. auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen.

Der Bundesfinanzhof hat jetzt aber entschieden, dass auch bei Vereinbarung eines höheren Disagios von einer Marktüblichkeit für den gesamten Betrag ausgegangen werden kann, wenn der Darlehensvertrag mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen wurde. Im Streitfall betrug das Disagio 10 % der Darlehenssumme bei einem deutlich unter dem Marktzins liegenden Darlehenszinssatz.

Nach Auffassung des Gerichts sei die 5 %-Grenze der Verwaltung lediglich eine typisierende Regelung; wenn die Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank abgeschlossen wurde, sei die Marktüblichkeit grundsätz­lich zu vermuten, sodass der gesamte Disagiobetrag sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten geltend gemacht werden kann.

3  Grunderwerbsteuer:  Instandhaltungsrücklage  beim  Erwerb  einer  Eigentumswohnung  durch  Zwangsvollstreckung

Der Grunderwerbsteuer unterliegt grundsätzlich nur der Erwerb eines Grundstücks. Soweit der Kaufpreis z. B. auf eine vorhandene Küche oder andere Inventargegenstände entfällt, kann dieser Anteil im Kaufvertrag gesondert ausgewiesen werden; Grunderwerbsteuer fällt dann insoweit nicht an. Entsprechendes gilt nach einer älteren Entscheidung des Bundesfinanzhofs auch für den Anteil an der Instandhaltungsrücklage beim Kauf einer Eigentumswohnung.

Wie der Bundesfinanzhof jetzt entschieden hat, gilt dies jedoch nicht beim Erwerb einer Eigentumswoh­nung im Wege der Zwangsvollstreckung. Der Grunderwerbsteuer unterliegt hier das sog. Meistgebot; eine anteilige Instandhaltungsrücklage kann dabei nicht abgezogen werden. In der Urteilsbegründung hat das Gericht ausdrücklich offengelassen, ob es an der früheren Rechtsprechung zum Abzug der Instandhaltungsrücklage bei Erwerb einer Eigentumswohnung durch Kaufvertrag festhalten würde, weil sich zwischenzeitlich das Grunderwerbsteuergesetz geändert hat. Bis über diese Frage erneut entschieden ist, kann aber bei Erwerb einer Eigentumswohnung die Höhe der Instandhaltungsrücklage ermittelt und im Kaufvertrag gesondert ausgewiesen werden.

4  Solidaritätszuschlag:  Kein  vorläufiger  Rechtsschutz  wegen  möglicher  Verfassungswidrigkeit

Bis zu einer endgültigen Entscheidung über einen angefochtenen Steuerbescheid kann die Vollziehung aus­gesetzt werden, wenn „ernstliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen (§ 361 AO, § 69 FGO). Soweit ein Bescheid angefochten ist, braucht die Steuer dann nicht entrichtet zu werden. Bleibt das Verfahren allerdings endgültig erfolglos, ist nicht nur die Steuer nachzuzahlen, sondern auch zu verzinsen.

Ein Finanzgericht hatte den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig gehalten und das Bundesver­fassungsgericht zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlags angerufen. Dies recht­fertigt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs allerdings nicht, bis zur Entscheidung des Bundesverfas­sungsgerichts alle Festsetzungen des Solidaritätszuschlags wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen. Allein die Auffassung eines Finanzgerichts kann diese Zweifel nicht begründen. Im Übrigen sei das öffentliche Interesse am Vollzug des Solidaritätszuschlaggesetzes gegen das Einzelinteresse eines Steuer­pflichtigen abzuwägen.

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Solidaritätszuschlag also auf jeden Fall weiter zu entrichten.

5  Vorsteuerabzug:  Angabe  der  vollständigen  Anschrift  in  der  Rechnung  –  Vorlage  für  den  Europäischen  Gerichtshof

Eine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist der Besitz einer Rechnung, die den Vorgaben der §§ 14 und 14a UStG entspricht. An erster Stelle sind dort der vollständige Name und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers genannt.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass das Merkmal „vollständige Anschrift“ des leistenden Unter­nehmers im Sinne von § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG nur die (zutreffende) Anschrift erfüllt, unter der der leistende Unternehmer seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet; die Angabe eines „Briefkastensitzes“ mit nur postalischer Erreichbarkeit genügt nicht.

Inzwischen sind Zweifel entstanden, ob die strengen Anforderungen an die Angabe der „vollständigen Anschrift“ eventuell gegen EU-Recht verstoßen. Der Bundesfinanzhof hat deshalb dem Europäischen Gerichtshof u. a. die Frage vorgelegt, ob es für den Vorsteuerabzug insoweit ausreicht, wenn der leistende Unternehmer in seiner Rechnung eine Anschrift angibt, unter der er postalisch zu erreichen ist, auch wenn er dort keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Darüber hinaus soll der Europäische Gerichtshof auch klären, ob für den Fall, dass die formellen Rech­nungsanforderungen nicht vollständig erfüllt sind, der Vorsteuerabzug trotzdem – ggf. aus Billigkeitsgrün­den – zu gewähren ist, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Leistungsempfänger die Einbezie­hung in einen Betrug weder kannte noch kennen konnte.

6  Beiträge  des  Arbeitgebers  zu  einer  Haftpflichtversicherung

Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung sind bei einem Arbeitnehmer regelmäßig als Werbungs­kosten abzugsfähig. Übernimmt der Arbeitgeber die Beiträge, sind diese jedoch regelmäßig als Arbeitslohn zu behandeln und der Lohnsteuer und Sozialversicherung zu unterwerfen. So hat der Bundesfinanzhof für Beiträge eines Rechtsanwalts zur Berufshaftpflicht entschieden, zu der ein angestellter Rechtsanwalt gesetz­lich verpflichtet ist.

Anders verhält es sich bei der Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers, mit der eigene Risiken versichert sind. Diese Beiträge sind den Arbeitnehmern auch dann nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn zuzurechnen, soweit sich der Schutz einer solchen Versicherung auch auf die Arbeitnehmer erstreckt. Dies hat der Bundes­finanzhof für eine zusätzliche eigene Haftpflichtversicherung eines Rechtsanwaltsbüros entschieden.

7  Seit  2005  gültige  Rentenbesteuerung  nicht  verfassungswidrig

Seit 2005 gilt für die Besteuerung von Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Renten aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen das System der sog. nachgelagerten Besteuerung. Danach sind die während der Erwerbstätigkeit gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung – unter Beachtung eines jährlich ansteigenden Höchstbetrags – als Sonderausgaben abzugsfähig.

Später erhaltene Rentenleistungen werden mit einem bei Rentenbeginn festgelegten Besteuerungsanteil den steuerpflichtigen sonstigen Einkünften zugerechnet. Bei einem Beginn der Rentenzahlungen z. B. im Jahr 2016 beträgt der Besteuerungsanteil 72 %.

Seit Bestehen dieses Systems sind immer wieder Einwände gegen die Besteuerung der Rentenleistungen erhoben worden, insbesondere wegen der Verletzung des Verbots der doppelten Besteuerung. In der Folge hatte das Bundesverfassungsgericht allerdings entsprechende Verfassungsbeschwerden nicht zur Entschei­dung angenommen.

In einem aktuellen Urteil hat sich der Bundesfinanzhof erneut mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung auseinandergesetzt. Darin geht das Gericht (weiterhin) von einer grundsätzlichen Ver­fassungsmäßigkeit der Regelung aus. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbesteuerung müsse jedoch da­bei genau geprüft werden.

Zur Klärung dieser Frage hat der Bundesfinanzhof den Urteilsfall an das Finanzgericht zurückverwiesen und dabei gewisse Vorgaben für die weitere Prüfung gemacht. Eine (unzulässige) doppelte Besteuerung liege grundsätzlich dann vor, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuer­liche Entlastung der darauf beruhenden Altersrenten.

Darüber hinaus gab das Gericht einen weiteren Hinweis: Bei der Ermittlung der Höhe der steuerlichen Ent­lastung könne nicht von den konkret bezogenen Rentenleistungen ausgegangen werden, sondern vielmehr von der zum Zeitpunkt des Beginns des Rentenbezugs statistisch wahrscheinlich zu erwartenden Leistungen.

8  Erstattung  von  Vorsteuerbeträgen  aus  EU-Mitgliedstaaten

In Deutschland ansässige Unternehmer, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und im Zusammenhang mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit im Ausland Vorsteuerbeträge entrichtet haben (z. B. anlässlich einer Geschäftsreise oder als Aussteller bei einer Messe), können diese regelmäßig in einem besonderen Verfahren vergütet bekommen.

Das Vergütungsverfahren ist grundsätzlich für Unternehmer vorgesehen, die in dem Staat, in dem die Erstattung beantragt wird, keine steuerpflichtigen Umsätze erzielen, d. h. somit nicht dem „normalen“ Besteuerungsverfahren unterliegen und deshalb in diesem Staat keine Umsatzsteuer-Anmeldungen abzu­geben haben.

Anträge auf Erstattung von Vorsteuerbeträgen aus anderen EU-Ländern sind ausschließlich in elektroni­scher Form über das Bundeszentralamt für Steuern (www.bzst.de) einzureichen; liegen die Vorausset­zungen vor, leitet das Bundeszentralamt den Antrag an den Erstattungsstaat weiter.

Im Vergütungsantrag sind neben den unternehmerischen Daten und Erklärungen besondere Angaben für jede Rechnung oder jedes Einfuhrdokument zu machen. Beträgt das Entgelt für den Umsatz bzw. die Ein­fuhr 1.000 Euro oder mehr (bei Rechnungen über Kraftstoffe: mindestens 250 Euro), sind in einigen Staaten elektronische Kopien der Originalrechnungen und Einfuhrbelege dem Vergütungsantrag beizufügen.

Der Vergütungsantrag ist bis zum 30. September des auf das Jahr der Ausstellung der Rechnung folgenden Kalenderjahres zu stellen (maßgebend ist der rechtzeitige Eingang beim Bundeszentralamt für Steuern).

Zu beachten ist, dass regelmäßig nur die Vorsteuer vergütet werden kann, die auch ein im jeweiligen Erstattungsland ansässiger Unternehmer geltend machen könnte; hier gelten in einigen Mitgliedstaaten zum Teil erhebliche Einschränkungen (z. B. bei Repräsentations- und Bewirtungskosten, Fahrzeugen, Kraftstoffen).

Der Vergütungsantrag muss mindestens 50 Euro (bzw. den entsprechenden Betrag in der Landeswährung) betragen.

Quelle: Informationsbrief September 2016 Erich Fleischer Verlag